Pferde sind eigentlich sehr beweglich
Pferde, das muss erst einmal von uns Zweibeinern so anerkannt werden, sind sehr bewegliche Körpertalente, die sich im inneren über uns steife Affen eigentlich kaputt lachen.
Macht doch mal folgendes: Greift mit Daumen und Zeigefinger ganz zart den Nasenrücken des Pferdes und bewegt den Kopf minimal seitlich hin und her.
Richtet nun Euren Blick auf das Kreuzbein des Pferdes und ihr werdet in der Regel sehen, wie diese sanfte Bewegung durch den ganzen Körper des Pferdes bis ins Becken schwingt. So beweglich ist Euer Pferd. Beweglichkeit bedeutet nämlich keinesfalls Gelenkigkeit (wenn wir Menschen Spagat üben oder mit gestreckten Beinen zu unseren Zehen greifen kommen die Pferde nämlich ebenfalls aus dem Lachen nicht mehr raus), sondern, dass an einer Bewegung alle Gelenke beteiligt sind. Dies wird auch gerne mit “Durchlässigkeit” beschrieben.
Die meisten Menschen reagieren auf so ein feines Schwingen nicht mit Loslassen, sondern halten entweder dagegen oder versuchen steif mitzumachen. Wie schwer es uns fällt, den Körper locker durchzuschwingen, das sehen wir in unserem Reit- oder Tanzunterricht.
Warum brauchen unsere vierbeinigen Bewegungstalente dann überhaupt eine Faszienbehandlung?
Was ist denn da draußen los? In der Box neigt das neugierige Pferd dazu, zu viel Zeit mit erhöhtem Kopf zu verbringen.
Boxenhaltung
Stünde das Pferd das ganze Jahr mit ausreichend Freilauf auf der Weide, so wäre schon viel erreicht. Es würde die meiste Zeit mit Grasen verbringen, den Kopf tief halten und sein Kiefergelenk und seine Zähne optimal einsetzen.
Zwischendurch würde es mit der Herde interagieren und zum Beispiel einfach auch mal spontan durchgaloppieren oder seinen Platz in der Herde verteidigen. Es würde regelmäßig weite Strecken zurücklegen, um frische Nahrung und Wasser zu finden. So gefordert könnte es durchgängig seinen angelegten Bewegungsmustern folgen.
Was man verstehen muss: Faszien passen sich der Belastung an und sind dann am gesündesten wenn wir unseren natürlichen Bewegungsmustern folgen und ausreichend in Bewegung bleiben.
Steht nun das Pferd in einer Box, dann passt sich das Gewebe halt den damit verbunden Bewegungen an. Zum einen läuft das Pferd viel weniger. Zum anderen schaut es länger neugierig über die Tür der Box hinaus, da die Sicht auf Bodenhöhe meist sehr begrenzt ist.
Son entsteht neben Bewegungsmangel auch ein Problem in der Wirbelsäule und im Kiefer, da das Pferd täglich viel zu lang mit erhobenem Kopf steht.
Unterhalb der Steigbügel sieht man, wie die Spannung des Sattelgurtes den Körper des Pferdes abschnürt.
Der Sattel
Stell Dich sich bitte einmal aufrecht und bequem hin und spüre Sie die Spannung im unteren Rücken. Wenn Du eine gute Körperstruktur hast, sollte sich der untere Rücken nun locker und entspannt anfühlen.
Nimm nun einen Gürtel und ziehe ihn sehr straff. Bewegen Dich ein wenig und gurte dann noch einmal nach 😉.
Spüre wieder die Spannung im unteren Rücken. Diese ist nun natürlich massiv gestiegen und kann zu Rückenschmerzen führen. Zu diesem erhöhten Druck kommt dann natürlich noch das Gewicht des Reiters (dazu gleich mehr).
Es geht aber nicht nur um den erhöhten Druck im Pferdekörper. Indem der Sattel und der Sattelgurt den Brustkorb des Pferdes einzwingen, führen sie gerade in Sattellage auch zu Verklebungen. Eigentlich müßten sich nämlich hier die Faszien, die verschieden tief im Körper liegen, geschmeidig gegeneinander verschieben können. Indem aber nun der erhöhte Druck die Bewegung einschränkt, hindert er auch das Gleiten der Faszien und reduziert dem Fluss der Lymphe. Im Laufe der Zeit können nun diese Faszienschichten dauerhaft miteinander verwachsen und mitunter schmerzhafte Bewegungseinschränkungen verursachen.
Zuviel Zug am Zügel verspannt Maul und Kiefer
Das Gebiss
Auch hier kann man einfach nachempfinden, was ein Gebiss manchmal auslösen kann. Lasse zunächst entspannt Deinen Kiefer hängen - so, wie Du es als Kind in der Schule getan hast. Nimm nun einen Bleistift in den Mund und halte ihn dort etwa drei Minuten. Merkst Du, wie der Fremdkörper im Mund Deinen Kaumuskel, den Masseter, verspannt?
Was mir oft auffällt, ist, wie Pferde schon gähnen und sich strecken, wenn man nur einen normalen Halfter abnimmt. Wenn schon das befreiend wirkt, was löst dann wohl ein Gebiss für Spannungen aus?
In der Praxis bestätigt sich die Annahme, das schon ein einfacher Halfter zu Spannungen führen kann auch dadurch, dass praktisch alle Pferde sehr starke Release-Reaktionen bei der Arbeit am Kiefer zeigen - selbst solche, die vor allem mit einem Kappzaum geritten werden.
Schiefer Reiter - schiefes Pferd
Die meisten (erwachsenen) Menschen sind in sich schief. Autofahren, vieles Sitzen, falsches Schuhwerk und viele anderen Dinge mehr ziehen uns täglich ein wenig mehr aus dem Lot.
Leider nimmt nun selbst ein guter Reiter diese Schiefe mit aufs Pferd. Das Pferd muss sich in seinen Bewegungen dieser Schiefe anpassen um selber im Gleichgewicht bleiben zu können. Dies bedingt aber natürlich eine asymmetrische Belastung des eigenen Bewegungsapparates. Also passt sich das Fasziennetz des Pferdes auf Dauer an die schlechte Körperhaltung seines Reiters an und führt dann unweigerlich zu Problemen im Pferd.
Der kluge Reiter begibt sich daher bei Bedarf selber parallel zu seinem Pferd in Behandlung. So können für das Gespann die größten Erfolge erzielt werden.
Übergewichtige Reiter
Pferde sind keine Lastenträger - auch wenn sie mitunter auf ehorses so beschrieben werden. Mancher Kaltblüter mag ein guter Lastenzieher sein. Aber wir sollten uns immer vor Augen halten, dass die Wirbelsäule der Pferde nicht dafür geschaffen wurde uns zu tragen.
Auch mir selber ist es mit meinen 72kg nicht möglich, der 10%-Regel folgend nur Pferde ab 720 kg zu reiten. Dennoch sollte ein für sich schon übergewichtiger Reiter sich bitte fragen, warum er meint, mit seinem Pferd noch springen zu müssen. Mit Liebe zum Pferd hat das jedenfalls nichts zu tun. (Da ist man schon erstaunt, wenn man etwa auf Arte “Die Wildpferde Dakotas” schaut und da massiv übergewichtigen Menschen auf schlanken Pferden dabei zuhören muss, wie über die besondere Beziehung zum Tier geschwafelt wird.)
Keine Behandlung der Welt kann die Folgen einer solchen täglichen Überbelastung ausgleichen.
Verletzungen
Verletzt sich ein Pferd, so versucht es, die schmerzhafte Stelle durch Kompensation zu schonen. Wir Menschen machen das genauso, indem wir etwa das rechte Bein stärker belasten, wenn der linke Fuß wehtut. Ebenso wie beim Menschen, passiert es aber oft, dass sich die natürliche Bewegung nach dem Ausheilen der Verletzung nicht wieder ganz einstellt. Auch hier “schuld” ist das Bindegewebe, dass sich während der Heilungsphase dem kompensierenden Bewegungsschema angepasst hat und den Körper nun in darin “festhält”. Solche eingefrorenen Kompensationen l
Stress
Auch Pferde haben Stress. Sie zeigen dies durch Koppen, Hang zu Kotwasser, hektisches Verhalten und vieles mehr. Was auch immer der Grund für den Stress sein mag, die damit verbundene Hormonausschüttung wirkt sich negativ auf das Bindegewebe aus.
Richtige (!) Faszienarbeit wirkt durch die Langsamkeit der Bewegung und die Qualität der Berührung (natürlich mit Euren Händen und ohne Werkzeuge) direkt auf das vegetative Nervensystem des Pferdes. Der Parasympathikus wird aktiviert und oft fährt das Pferd schon in den ersten Minuten merklich herunter, zeigt starke Entspannungsreaktionen und ganz weiche Augen.
Mein persönlicher Tipp: Riecht während der Arbeit immer mal wieder an Eurem Pferd. Falls es Euch so geht wie mir, ist dies der schönste Geruch der Welt und löst grosse Glücksgefühle in Euch aus. Und wenn Euch dann das Herz aufgeht, so spürt Euer Pferd dies natürlich!
Alter (Entropie)
Wir werden alle alt. Und wie beim Menschen, zeigt sich dies beim Pferd oft durch einen gewissen Muskelschwund und dadurch, dass das Gewebe insgesamt steifer wird. Natürlich macht es einen großen Unterschied, wie gut das Pferd und sein Reiter gymnastiziert sind - und wie wir uns ernähren.
So oder so, in jedem geschlossenen System entsteht mit der Zeit immer mehr Chaos. Wir kennen das vom Kinderzimmer 😉, es gilt aber ebenso für den Körper des Pferdes, der sich immer stärker verzieht und versteift.
Ohne Energiezufuhr von außen kann, das wissen auch die Physiker (die den Begriff natürlich viel genauer definiert haben), ist dieser Prozess unumkehrbar. Und obwohl auch die Faszienmobilisation diesen Prozess nicht aufhalten kann, kann Sie doch oft dazu beitragen, den Prozess zu verlangsamen und dem Pferdekörper noch einmal eine Hilfestellung zu geben indem Spannungen gelöst und die Körperstruktur harmonisiert werden.
So soll es sein: Eine aufrechte und gelöste Körperstruktur des Reiters und ein durchlässiges Pferd. Die Faszienmobilisation kann das Gespann auf völlig neue Beine stellen.